Von S. Alexander Alich, Übersetzt von Leonie Werner

Sweatlodge oder Stone-people-lodge?

Als die ersten Missionare nach Amerika kamen, bot sich ihnen manchmal ein geradezu unglaublicher Anblick. In Europa galt zu dieser Zeit selbst baden als gefährlich, ja unhygienisch, und hier saßen nackte Ureinwohner in einer kleinen Hütte zusammen, um gemeinsam zu schwitzen. Ohne Hintergrundwissen war es sehr schwer zu erfassen, was da eigentlich vor sich ging. Aus einem begrenzten und falschen Verständnis der Zeremonie entstand damals der Begriff Sweatlodge (Schwitzhütte), der heute noch verwendet wird.

Die Ureinwohner Amerikas würden auf die Frage nach dem Namen und der Bedeutung dieser Zeremonie sicher eine andere Antwort geben. Eine „Stone-people-lodge“ (Steinwesen-Hütte) ist eine Zeremonie, in der wir in die Gebärmutter der Erde zurückkehren. Wir erhitzen Großmutter und Großvater Stein im Feuer und laden sie ein, uns an ihren Lehren und ihren Geschichten teilhaben zu lassen. Die Hitze in der Hütte brennt Unreines aus unserem Verstand, unserem Herzen, unserem Körper und unserem spirit heraus. Wir gehen in die Hütte, um zusammen zu beten und unsere Verbindung zu „Great Spirit“ und allen uns verwandten Wesen zu stärken. Wenn wir den Mut haben, Dinge loszulassen, die in unserem Leben nicht mehr funktionieren, dann können wir in der Hütte auch Heilung erfahren.

Leider kann das Wort „Schwitzhütte“ den Eindruck vermitteln, es ginge nur darum zu schwitzen, also wie viel jeder geschwitzt hat und wie heiß es war. Doch auch wenn die Hitze ein wichtiger Teil der Zeremonie ist, so ist sie nur e i n Teil.

Die Zeremonie

Die Zeremonie beginnt sobald feststeht, dass eine Stone-people-lodge notwendig ist und der Tag dafür festgelegt ist. Ein Teil der Vorbereitungen für die Hütte besteht aus unserer inneren Arbeit, denn wenn wir in die Hütte eintreten, müssen wir im Herzen und im Verstand in der richtigen Verfassung sein. Die andere Hälfte der Vorbereitung umfasst den praktischen Teil: das Land vorbereiten, Holz für das Feuer und die Steine für die Hitze in der Hütte sammeln, die Hütte bauen und – nicht zuletzt – das Essen für die TeilnehmerInnen kochen und nach dem Ende der Zeremonie wieder aufräumen. Die Zeremonie besteht aus all diesen Teilen und es ist dabei ganz gleich, ob wir in der Hütte sitzen, das Feuer hüten oder kochen. Jeder Teil der Vorbereitung kann eine Lektion für uns sein oder uns Raum zum Nachdenken schaffen.

Die Hütte sieht aus wie ein umgedrehter Korb; sie repräsentiert in vielen Traditionen die Gebärmutter der Erde. Für das Gerüst der Hütte werden junge biegsame Bäume miteinander verwoben. Steht das Gerüst, werden Decken darüber gelegt und der Boden mit weichem Gras und Salbei ausgelegt. Steine werden in einem Feuer in der Nähe der Hütte erhitzt, damit sie später ihre Wärme in die Hütte bringen. Wir gehen unbekleidet und ohne zu sprechen in die dunkle Hütte. Hier können wir in Kontakt mit Great Spirit kommen, beten und uns reinigen. Diese Zeremonie ist eine der wenigen, in denen wir unseren Verstand, unseren Körper, unser Herz und unseren spirit reinigen können. Wir können sogar in Kontakt mit unserer Seele oder unserer Essenz kommen und Antworten für Bereiche finden, die uns vorher unverständlich waren.

Vorbereitung für die erste Teilnahme an einer Stone-people-lodge Zeremonie

Als wichtigste Vorbereitung für die Teilnahme an einer Hütte müssen wir unsere Absicht klar definieren – wir müssen uns fragen, wo stehe ich jetzt und was will ich? Damit geben wir uns eine Richtung und einen roten Faden vor, dem wir folgen können. In der Hütte werden wir nur uns selbst und „Great Spirit“ begegnen – sonst niemandem. Die Heilungsarbeit ist ein innerer Prozess, der von Great Spirit unterstützt wird. Die Form der Zeremonie unterstützt diese Arbeit und gibt uns Halt.

Ich habe schon viele Menschen durch die Vorbereitung auf ihre erste Hütte begleitet. Die meisten von ihnen hatten Angst vor der Hitze. Mir ist es wichtig, dass sich jede und jeder Einzelne über die eigene Absicht für die Hütte im Klaren ist und daran denkt, dass die Hitze dabei helfen soll, das loszulassen, was gehen muss.

Die Stone-people-lodge bietet uns eine große Heilungschance – doch es gibt auch Zeiten, in denen wir diese Zeremonie nicht machen sollten. Zum Beispiel, wenn wir nicht für uns selbst die Verantwortung tragen können, wenn wir uns bereits in einem anstrengenden Heilungsprozess befinden, der durch die Hütte gestört werden könnte, oder wenn wir noch nicht darauf vorbereitet sind, uns das Thema anzuschauen, mit dem wir arbeiten wollen.

Die Arbeit nach verschiedenen Traditionen

Wenn wir schon öfter durch eine Stone-people-lodge Zeremonie mit Leitern und Leiterinnen aus verschiedenen Traditionen gegangen sind, wird uns aufgefallen sein, dass sie alle etwas unterschiedlich arbeiten. Vielleicht überlegen wir dann, welche Tradition wohl die richtige ist, oder es geht uns durch den Kopf: „so habe ich das aber nicht gelernt“. Beide Einstellungen sind bei der Arbeit mit dieser und jeder anderen Zeremonie fehl am Platz. Es liegt eine bestimmte Schönheit in jeder unserer Fähigkeiten und in der ganz individuellen Beziehung von uns allen zu Great Spirit. Deshalb ist es am besten, wenn wir uns mit aufnahmebereitem Verstand und offenem Herzen in eine Zeremonie begeben, voller Respekt für unsere Unterschiede.

S. Alexander Alich arbeitet seit 1979 im Bereich des Schamanismus. Nach einer 12jährigen Ausbildung durch Ureinwohner Amerikas aus verschiedenen Traditionen und durch westliche Lehrer wurde er gebeten mitzuhelfen, eine Brücke zwischen der schamanischen Heilarbeit der Ureinwohner und der konventionellen westlichen Medizin zu bauen. Alexander gründete 1988 das FoxFire Institute of Shamanic Studies, er unterrichtet in USA und in Deutschland. Er leitet Stone-people-lodge Zeremonien seit 1992.